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Kanzlei Tykwer & Kirsch
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Oberlandesgericht Hamm, 26 U 81/14 / 16.12.2014

Tenor:

Die Berufung der Klägerin gegen das am 02. Mai 2014 verkündete Urteil der 4. Zivilkammer des Landgerichts Bielefeld wird zurückgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten der Berufungsinstanz, einschließlich der außergerichtlichen Kosten des Streithelfers.

Das angefochtene Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Gründe

I.

Die Klägerin am ####1937 geboren nimmt die Beklagten wegen einer vermeintlich fehlerhaften zahnärztlichen und zahnprothetischen Behandlung in den Jahren 2003 und 2004 auf Schadensersatz und Schmerzensgeld in Anspruch.

Am 09.12.2002 inserierte der Streithelfer, Facharzt für Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie, der Klägerin sechs Implantate für die Zähne 11, 14, 21, 22, 24 und 26. Die Beklagte zu 1) assistierte bei diesem Eingriff. Die Implantate wurden danach am 13.03.2003 vom Streithelfer freigelegt, der auch noch die eigenen Zähne 13 und 17 der Klägerin überkronte.

Die prothetische Versorgung dieser Zähne wurde daraufhin vom Beklagten zu 2) übernommen und in dessen Praxis durch die Beklagte zu 1) durchgeführt.

Der Implantation vorausgegangen war ein am 14.10.2002 mit der Klägerin geführtes (Planungs-)Gespräch, nach dem der Oberkiefer mit einer teleskopierenden Modellgussprothese auf sechs Implantaten versorgt werden sollte. Von den Beklagten waren die Zähne 11, 12, 21, 22 und 23 für extraktionswürdig befunden worden, die daraufhin am 29.10.2002 von dem Streithelfer gezogen worden waren.

Die Beklagte zu 1) setzte der Klägerin anschließend am 22.05.2003 die prothetische Versorgung ein, bei der es sich um festsitzenden Zahnersatz im Oberkiefer unter Einbindung der beiden eigenen Zähne 13 und 17 sowie der sechs Implantate handelte.

Bei einem Kontrollterminen am 15.10.2003 behandelte die Beklagte zu 1) anschließend eine an diesem Tag festgestellte Überempfindlichkeit an Zahn 17, die am 12.11.2003 eine weitere Behandlung erforderlich machte. Bis Februar 2006 stellte sich die Klägerin zu insgesamt sechs weiteren Kontrolluntersuchungen vor.

Am 04.06.2006 suchte die Klägerin mit akuten Beschwerden im Notdienst die Zahnärztin Dr. I in I2 auf. Die Untersuchung einschließlich einer Röntgenaufnahme und eines OPG ergab eine apikale Ostitis an Zahn 13.

Etwas sieben Monate später – am 26.01.2007 – stellte sich die Klägerin bei dem Zahnarzt Dr. X in X2 vor. Der – anschließend entfernte – Zahn 13 zeigte sich bei einer Sondierungstiefe von 7 mm tief zerstört mit einem deutlich apikalen Entzündungsbefund. Die Konstruktion auf den Implantaten der Zähne 11, 14, 21, 22 24 und 26 imponierte durch eine fast vollständige Freilegung der Mesostruktur hauptsächlich im vestibülären Bereich, wobei die Gingiva um die Implantate hoch entzündet war. Dr. X nahm deshalb bei der Klägerin die Kronenkonstruktion ab und fertigte für die Kronen neue Langzeitprovisorien an, welche die Klägerin im Juli und November 2007 erhielt.

Die Klägerin hat mit der Begründung fehlerhaft behandelt und unzureichend aufgeklärt worden zu sein, ein Schmerzensgeld von mindestens 20.000,00 €, Ersatz von Fahrtkosten und Aufwendungen von 4.000,26 €, die Feststellung der Ersatzverpflichtung weiterer materieller und immaterieller Schäden und Ersatz vorgerichtlicher Kosten verlangt. Sie habe nach der prothetischen Versorgung im März 2003 unter erheblichen Beschwerden und Schmerzen auch an den beiden überkronten Zähnen gelitten, die bis Pfingsten 2006 sehr stark geworden seien. Die Schraubenköpfe, die die Mesostruktur auf den Implantaten befestigt hätten, seien teilweise bis zur Hälfte abgeschnitten bzw. abgeschliffen gewesen. Die Behandlung sei vor diesem Hintergrund insgesamt fehlerhaft gewesen. Die Beklagte zu 1) habe nicht fachgerechte Änderungen und Manipulationen an den Implantaten vorgenommen. Diese hätte zudem für die Verbindung zwischen Implantaten und Suprakonstruktion abgeknickte Abutments verwenden müssen und erst darauf den Zahnersatz eingliedern dürfen. Wegen der falsch sitzenden Abutments habe die Prothese nicht hoch genug eingesetzt werden können, woraufhin die Beklagte zu 1) die deshalb bestehende Lücke zum Oberkiefer mit zahnfleischfarbigem Material ausgefüllt habe, was ebenfalls fehlerhaft sei. Der implantatgetragene Zahnersatz sei viel zu starr gewesen und habe keine physiologische Bewegung zugelassen. Vor diesem Hintergrund habe der eigene Zahn 13 überhaupt nicht in die starre prothetische Versorgung einbezogen werden dürfen. Die Beklagte zu 1) habe die gebotenen Röntgenuntersuchungen nicht durchgeführt und deshalb einen – erst anschließend von Dr. X festgestellten – Fremdkörper an der Wurzel des Zahns 14 nicht gesehen, der indes sofort hätte entfernt werden müssen.

Sie sei schließlich nicht ausreichend aufgeklärt worden. Die Beklagte zu 1) habe ihr zwar festsitzenden Zahnersatz mittels Implantaten vorgeschlagen und dabei dessen Vorteile, nicht aber die damit verbundenen Nachteile geschildert. Tatsächlich hätte die Beklagte zu 1) darüber aufklären müssen, dass sich der Zahnersatz auf einem Implantat nicht bewegen dürfe. Im Falle der gebotenen Aufklärung hätte sie einem festsitzenden Zahnersatz mit Implantaten nicht zugestimmt. Sie hätte dann die vom Nebenintervenienten vorgeschlagene Versorgung durchführen lassen, der von Anfang an keinen festsitzenden Zahnersatz habe durchführen wollen.

Zur Vermeidung von Wiederholungen wird auf den Tatbestand der angefochtenen Entscheidung Bezug genommen.

Das Landgericht hat der Klage nach Einholung eines zahnmedizinischen Gutachtens teilweise stattgegeben und der Klägerin ein Schmerzensgeld in Höhe von 4.000,00 €, einen weiteren Betrag in Höhe von 3.987,32 € sowie Ersatz vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten in Höhe von 1.275,68 € zugesprochen und die Haftung der Beklagten für zukünftige materielle und derzeit nicht vorhersehbare immaterielle Schäden festgestellt. Die Klägerin sei nicht fachgerecht behandelt worden. An den Implantaten 11, 21, 22, 24 und 25 seien die Schraubenköpfe beim Präparieren der Abutments angeschliffen worden. Die Abutments und die Schraubenköpfe seien mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit (98 %) durch das zahntechnische Laboratorium entweder aufgrund einer falschen Bissnahme von den Beklagten oder aufgrund einer falschen Einartikulierung vom Dentallabor so weit abgeschliffen worden, dass letztendlich die Schraubenköpfe angeschliffen und insb. der Schraubenkopf an 21 derart beschädigt worden sei, dass er sich nur noch sehr schwer entfernen lasse. Die Abutments hätten entfernt werden müssen, was zwangsläufig dazu geführt habe, dass schon unter diesem Gesichtspunkt eine Neuanfertigung erforderlich gewesen sei. Die vorhandene Konstruktion hätte nicht weiter verwandt werden können.

Unter dem Aspekt einer langfristig optimalen Versorgung hätten die parodontal geschwächten Pfeilerzähne 17 und 13 nicht in die Implantatversorgung einbezogen werden dürfen. Die hier gewählte Lösung sei daher nur medizinisch vertretbar, wenn der Patient vorher über die zeitliche Limitierung dieser Lösung vom Arzt aufgeklärt worden sei. Die vorgeschädigten Zähne 13 und 17 als strategische Pfeiler seien eben nicht gleichwertig mit den eingebrachten Implantaten gewesen. Es sei auch Aufgabe des Hauszahnarztes gewesen, die Behandlungsalternativen (2 getrennte Brückenkonstruktionen oder Ersatz der zu extrahierenden Zähne 13 und 17 durch Implantate) mitzuteilen und die Lösung zu entwickeln. Bei der hier gewählten prothetischen Versorgung sei zudem erforderlich gewesen, die parodontale Schädigung der Zähne 13 und 17 (weiter) zu behandeln. Das behandlungsfehlerhafte Verhalten der Beklagten sei darin zu sehen, dass die Beklagten das höhere Risiko durch die damit verbundenen Reparatur- und Wiederherstellungskosten bei Einbeziehung der parodontal schlechten Zähne 13 und 17 für die Klägerin nicht genügend herausgearbeitet hätten. Die gewählte Versorgung habe nicht dem fachärztlichen Standard für eine langfristige Versorgung entsprochen. Soweit die Beklagten demgegenüber den Fremdkörper in regio 14 (möglicherweise Amalgamrest) auf den OPG- Bildern erkannt hätten, sei es nicht unbedingt behandlungsfehlerhaft, diesen nicht zu entfernen, wenn er wie im vorliegenden Fall unter ständiger röntgenologischer Beobachtung keinerlei Veränderungen zeige. Trotzdem wäre aufgrund der unmittelbaren Nähe zum Implantat sinnvoll gewesen, diesen während der Implantatinsertion auszufräsen und zeitgleich aufzufüllen. Folge der Behandlungsfehler sei zunächst die Notwendigkeit einer Versorgung mit einem Langzeitprovisorium sowie anschließend eine definitive Neuversorgung. Bei dieser Sachlage könne die Klägerin, die nach Feststellung des Sachverständigen keine außergewöhnlichen Schmerzen erlitten habe, ein Schmerzensgeld in Höhe von 4.000,00 € beanspruchen. Die Klägerin könne auch die Kosten für das Langzeitprovisorium nach Heil- und Kostenplan (3.770,72 €) sowie für die Nachbehandlung angefallene Fahrtkosten (216,60 €) und vorgerichtliche Anwaltskosten nach einer 2,0 Geschäftsgebühr (1.275,68 €) verlangen.

Hiergegen richtet sich die Berufung der Klägerin, die ihr erstinstanzliches Begehren weiterverfolgt. Hinsichtlich der Kosten des nachbehandelnden Zahnarztes Dr. X fehle ein Differenzbetrag von 12,94 €. Der Gesamtbetrag von 3.783,66 € sei bereits in der Klageschrift nach der Rechnung vom 17.01.2008 und nicht nach dem Heil- und Kostenplan beziffert worden. Es sei ein gerichtlicher Hinweis geboten gewesen, die Rechnung einzureichen. In der Zeit nach Klageerhebung seien für Behandlungen vom 15.08.2011 bis 13.05.2013 weitere Kosten bei Dr. X entstanden; der noch offene Gesamtbetrag errechne sich mit 18.401,03 €. Das zugebilligte Schmerzensgeld sei viel zu gering angesetzt. Sie habe jahrelang das Provisorium tragen müssen. Daran habe sich eine zeitlich langdauernde intensive Behandlung angeschlossen. Ferner komme hinzu, dass die beiden Zähne 13 und 17 aufgrund eines Behandlungsfehlers in die Versorgung mit Zahnersatz einbezogen worden seien, deswegen frühzeitig verloren gegangen seien und durch Implantate hätten ersetzt werden müssen. Dies sei in die Bewertung der Schmerzensgeldhöhe nicht einbezogen worden. In der Gesamtschau liege ein grober Behandlungsfehler vor, der zu einer Erhöhung des Schmerzensgeldes führen müsse. Es sei ein Betrag von mindestens 20.000,00 € angemessen und gerechtfertigt. Der Beginn der Verzinsung sei fehlerhaft mit dem 12.12.2008 angesetzt worden. Verzug sei – wie die Klägerin neu vorträgt – bereits mit Ablauf der im Anspruchsschreiben vom 29.04.2008 gesetzten Frist am 10.05.2008 eingetreten. Die Geschäftsgebühr sei aufgrund der überdurchschnittlichen Schwierigkeit und der äußerst umfangreichen vorgerichtlichen Tätigkeit mit 2,5 zu bemessen.

Die Klägerin beantragt,

das am 02.05.2014 verkündete Urteil des Landgerichts Bielefeld – 4 O 449/08 – abzuändern und nach ihren in I. Instanz zuletzt gestellten Anträgen zu erkennen.

Hilfsweise,

das am 02.05.2014 verkündete Urteil des Landgerichts Bielefeld – 4 O 449/08 – aufzuheben und die Sache einschließlich des ihm zugrunde liegenden Verfahrens zurückzuweisen.

Die Beklagten zu 1) und 2) und der Streithelfer beantragen,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagten zu 1) und 2) verteidigen das angefochtene Urteil soweit die Klage abgewiesen worden ist. Das Schmerzensgeld sei mit 4.000,00 € der Höhe nach mehr als angemessen. Die Klägerin habe keine außergewöhnlichen Schmerzen erlitten. Die nach Auffassung des Sachverständigen medizinisch bessere Lösung wäre ohnehin mit Schmerzen für die Klägerin verbunden gewesen. Ein Schmerzensgeldanspruch bestünde nur insoweit, als die Klägerin durch die fehlerhafte Behandlung Schmerzen gehabt hätte, welche über die bei ordnungsgemäßer Behandlung/Aufklärung ohnehin entstandenen Schmerzen hinausgingen. Die Klägerin könne auch unter keinen Umständen Schmerzensgeld für die Extraktion der vorgeschädigten Zähne 13 und 17 und das Einsetzen von Implantaten verlangen. Diese Zähne hätten nach Vorstellung des Sachverständigen von vornherein extrahiert und durch Implantate ersetzt werden müssen. Von einem von den Beklagten verschuldeten frühzeitigen Verlust der Zähne könne keine Rede sein. Hinsichtlich des materiellen Schadens habe die Klägerin allein einen Heil- und Kostenplan vorgelegt, der einen Betrag von 3.770,72 € aufgewiesen habe. Der Beklagte zu 2) rügt hinsichtlich des geltend gemachten Zinsschadens Verspätung. Diesen habe die Klägerin erstinstanzlich nicht begründet. Es liege auch kein grober Behandlungsfehler vor. Die Versorgung habe zwar nicht dem fachärztlichen Standard für eine langfristige Versorgung entsprochen, sei jedoch als noch vertretbare medizinische Lösung anzusehen, sofern dies zuvor mit der Klägerin besprochen worden wäre.

Der Senat hat die Klägerin sowie die Beklagte zu 1) persönlich angehört und Beweis erhoben durch Einholung eines mündlichen implantatprothetischen Gutachtens des Sachverständigen Dr. Q. Wegen des Ergebnisses wird auf das Protokoll des Senatstermins und den Berichterstattervermerk vom 16.12.2014 verwiesen.

Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes, insbesondere des genauen Wortlautes der erstinstanzlich gestellten Anträge, wird auf die angefochtene Entscheidung und die zu den Gerichtsakten gereichten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

II.

Die Berufung der Klägerin ist zulässig, aber nicht begründet.

Der Klägerin steht gegen die Beklagten über die erstinstanzlich zuerkannten Beträge hinaus kein weitergehender Anspruch auf Zahlung von Schadensersatz oder Schmerzensgeld zu.

1.

Der Klägerin steht gegen die Beklagten zu 1) und 2) dem Grunde nach ein Anspruch auf Ersatz materieller und immaterieller Schäden nach den §§ 611, 280, 249, 278, 253 Abs. 2 BGB bzw. §§ 823, 831, 249, 253 Abs. 2 BGB zu.

Nach den im Berufungsverfahren bindenden Feststellungen des Landgerichts ist die zahnprothetische Behandlung der Klägerin durch die Beklagten zu 1) und 2) ab Mai 2003 fehlerhaft gewesen. An den Implantaten 11, 21, 22, 24 und 25 sind die Schraubenköpfe beim Präparieren der Abutments entweder aufgrund einer falschen Bissnahme von den Beklagten oder aufgrund einer falschen Einartikulierung vom Dentallabor so weit abgeschliffen worden, dass letztendlich die Schraubenköpfe angeschliffen und insb. der Schraubenkopf an 21 derart beschädigt worden ist, dass er sich nur noch sehr schwer entfernen ließ. Die Abutments mussten entfernt werden, was schon unter diesem Gesichtspunkt eine Neuanfertigung der Konstruktion erforderlich gemacht hat. Hinsichtlich der Gesamtplanung ist die Klägerin fehlerhaft nicht über die zeitliche Limitierung der gewählten Lösung aufgeklärt worden. Unter dem Aspekt einer langfristig optimalen Versorgung hätten die parodontal geschwächten Pfeilerzähne 17 und 13 nicht in die Implantatversorgung einbezogen werden dürfen. Das behandlungsfehlerhafte Verhalten der Beklagten liegt darin, dass sie das höhere Risiko durch die damit verbundenen Reparatur- und Wiederherstellungskosten bei Einbeziehung der parodontal schlechten Zähne 13 und 17 für die Klägerin nicht genügend herausgearbeitet haben. Die gewählte Versorgung hat damit nicht dem fachärztlichen Standard für eine langfristige Versorgung entsprochen.

2.

Entgegen der Ansicht der Klägerin hat das Landgericht die festgestellten Behandlungsfehler zu Recht nicht als grobe Fehler eingestuft.

Ein Behandlungsfehler ist als grob zu bewerten, wenn der Arzt eindeutig gegen bewährte ärztliche Behandlungsregeln oder gesicherte medizinische Erkenntnisse verstoßen und dadurch einen Fehler begangen hat, der aus objektiver ärztlicher Sicht nicht mehr verständlich erscheint, weil ein solcher Fehler einem Arzt schlechterdings nicht unterlaufen darf (vgl. BGH Urt. v. 25.10.2011 – VI ZR 139/10, VersR 2012, 362; BGH Urt. v. 20.09.2011 – VI ZR 55/09, VersR 2011, 1569; Geiß/Greiner, Arzthaftpflichtrecht, 7. Aufl. B. Rdn. 252).

Der Sachverständige hat im Rahmen seiner schriftlichen und mündlichen Ausführungen das behandlungsfehlerhafte Vorgehen nicht als grob fehlerhaft beurteilt. Im Rahmen seiner Anhörung durch den Senat hat der Sachverständige nochmals klargestellt, dass seinerzeit hinsichtlich der Zähne 13 und 17 kein evident bedrohlicher Befund bestanden hat, der es aus zahnmedizinischer Sicht unbedingt erforderlich gemacht hätte, diese Zähne aus der prothetischen Versorgung herauszuhalten. Die an den beiden Zähnen festgestellten Befunde, Parodonatalspalt und Zahntasche, lassen danach keinen sicheren Schluss auf eine sofortige Indikation zur Extraktion der Zähne zu. Bei den Zähne 13 und 17 handelte es sich seinerzeit um leicht vorgeschädigte Zähne. Insbesondere bei Zahn 17 ist zu beachten, dass er im Anschluss an die streitgegenständliche prothetische Versorgung noch 10 Jahre in situ verblieben ist. Der Sachverständige hat ausgeführt, dass die von ihm als „Plan 1c“ bezeichnete Lösung bei entsprechender Aufklärung sogar als noch fachgerecht anzusehen gewesen wäre, wenn die parodontale Nachbehandlung der Zähne sichergestellt worden wäre. Insgesamt war der Befund seinerzeit nicht so bedrohlich, dass man zur Annahme eines groben Behandlungsfehlers gelangen müsste. Auch in der Gesamtbetrachtung bestehen nach den überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen, denen sich der Senat anschließt, keine hinreichenden Anhaltspunkte für einen groben Behandlungsfehler.

3.

Als Folge der Behandlungsfehler ist eine komplette prothetische Neuversorgung erforderlich, wobei die bestehenden Implantate weiter verwendet werden können. Hierfür müssen nach Einschätzung des Sachverständigen nach erfolgter Extraktion der vorgeschädigten Zähne 13 und 17 zwei weitere Implantate in regio 13 und 15/16 bei gleichzeitiger Entfernung des Fremdkörpers inseriert werden. Die zuvor 2007 erfolgte Implantierung eines Langzeitprovisoriums hat der Sachverständige ebenfalls als erforderlich angesehen. Dies steht im Rahmen des Berufungsverfahrens zwischen den Parteien auch nicht mehr im Streit.

Vorzuwerfen ist den Beklagten aber entgegen der Ansicht der Klägerin nicht der „frühzeitige Verlust“ der Zähne 13 und 17. Der Sachverständige hat insoweit vielmehr angegeben, dass diese im Rahmen einer optimalen Versorgung bereits 2003 hätten extrahiert und durch zwei weitere Implantate ersetzt werden müssen (wodurch seinerzeit Mehrkosten von 2.500,00 bis 3.000,00 € angefallen wären). Lediglich bei Nutzung der vorgeschädigten Zähne als Pfeiler hätten diese behandelt werden müssen. Die Indikation zum Ziehen der Zähne war somit bereits 2003 gegeben.

4.

Der Senat hält das erstinstanzlich zugesprochene Schmerzensgeld von insgesamt 4.000,00 € für die erlittenen gesundheitlichen Folgen für angemessen. Ein höheres Schmerzensgeld kann die Klägerin, die einen Betrag in Höhe von mindestens 20.000,00 € fordert, nicht verlangen.

Das Schmerzensgeld weist eine Doppelfunktion auf. Es soll dem Geschädigten einen angemessenen Ausgleich für die Schäden bieten, die nicht vermögensrechtlicher Art sind. Zugleich soll dem Gedanken Rechnung getragen werden, dass der Schädiger dem Geschädigten Genugtuung dafür schuldet, was er ihm angetan hat (Palandt/Heinrichs BGB, 73. Aufl., § 253 Rdn. 11). Bei der Bemessung der nach § 253 Abs. 2 BGB zu gewährenden billigen Entschädigung sind die Schwere der Verletzungen, das dadurch bedingte Leiden, dessen Dauer, das Ausmaß der Wahrnehmung der Beeinträchtigung durch den Verletzten und der Grad des Verschuldens des Schädigers in Betracht zu ziehen, wobei der Grad des Verschuldens in Arzthaftungssachen regelmäßig nicht entscheidend ins Gewicht fällt (vgl. OLG Oldenburg, VersR 2010, 1221; OLG Bremen, VersR 2003, 779; OLG Köln, VersR 2003, 602).

Das Landgericht hat zutreffend auf die konkreten Beschwerden abgestellt, die auf die fehlerhafte prothetische Behandlung zurückzuführen sind. Es hat bei der Bemessung des Schmerzensgeldes zum einen auch berücksichtigt, dass die Klägerin im Jahr 2007 mit einem Langzeitprovisorium versorgt werden musste; zum anderen hat es die mit der erforderlichen Neuversorgung verbundenen Beeinträchtigungen in die Schmerzensgeldbemessung einbezogen. Dies schließt auch die von der Klägerin wiedergegebenen Unannehmlichkeiten bei der Entfernung der fehlerhaften Prothese ein.

Hinsichtlich der von der Klägerin erlittenen Schmerzen hat der Sachverständige basierend auf den eigenen Angaben der Klägerin ausgeführt, dass diese keine außergewöhnlichen Schmerzen erlitten hat. Diese hat hauptsächlich Schmerzen an dem vorgeschädigten Zahn 13 gehabt, bis dieser nach etwa sieben Monaten im Januar 2007 von Dr. X extrahiert worden ist. Dabei ist es weder zu lang anhaltenden Wundschmerzen gekommen, noch musste die Klägerin Schmerztabletten einnehmen.

Die bei der Extraktion der Zähne 13 und 17 sowie der Einbringung zweier weiterer Implantate erlittenen Schmerzen hätte die Klägerin auch bei ordnungsgemäßer Behandlung erleiden müssen. Diese Zähne hätten nach Vorstellung des Sachverständigen von vornherein extrahiert und durch Implantate ersetzt werden müssen. Der Zahnverlust führt damit nicht zu einer Erhöhung des Schmerzensgeldes.

Die zu berücksichtigen Schmerzen und die umfangreiche prothetische Neuversorgung mit einer Vielzahl erforderlicher Behandlungstermine rechtfertigen die Zahlung des vom Landgericht als angemessen erachteten Schmerzensgeldes in Höhe von 4.000,00 €.

5.

Zutreffend ist das Landgericht dem Feststellungsbegehren der Klägerin hinsichtlich der immateriellen Schäden nur eingeschränkt nachgekommen, indem es eine Ersatzverpflichtung der Beklagten auf die zukünftigen, derzeit aber nicht voraussehbaren immateriellen Schäden beschränkt hat. Aufgrund des Grundsatzes der Einheitlichkeit des Schmerzensgeldes sind zukünftige voraussehbare immaterielle Schäden – im Streitfall insbesondere im Zuge der prothetischen Neuversorgung zu erwartende Unannehmlichkeiten und Schmerzen – in die Schmerzensgeldbemessung einzubeziehen.

6.

Der Klägerin steht kein weiterer Schadensersatzanspruch hinsichtlich der vom Landgericht nicht zugesprochenen 12,94 € für die Kosten des Langzeitprovisoriums gegen die Beklagten zu. Das Landgericht hat den der Klägerin zugesprochenen Betrag (3.770,72 €) zu Recht dem Heil- und Kostenplan vom 21.06.2007 entnommen, da die Klägerin selbst ausschließlich auf diesen Bezug genommen und den höheren Betrag (3.783,66 €) gerade nicht durch Vorlage der entsprechenden Rechnung belegt hat. Soweit die Klägerin diese Rechnung nunmehr im Berufungsverfahren vorlegt, hat sie ihr Begehren erst in zweiter Instanz schlüssig gemacht und ist insoweit präkludiert, § 531 ZPO. Es hätte insoweit auch keines Hinweises des Landgerichts bedurft. Es ist Sache der Klägerin gewesen, den geltend gemachten Betrag hinreichend zu belegen.

7.

Es ist entgegen der Ansicht der Klägerin auch nicht zu beanstanden, dass das Landgericht Verzugszinsen jeweils erst ab Klagezustellung zugesprochen hat. Einen früheren Verzugszeitpunkt hat die Klägerin erstinstanzlich überhaupt nicht schlüssig dargelegt. Vielmehr hat sie ohne Angaben von Gründen erstinstanzlich noch Zinsen ab 21.12.2007 verlangt. Mit ihrem neuen Vorbringen, mit dem sie erstmals unter Bezugnahme auf ein Schreiben vom 29.04.2008 Zinsen ab dem 10.05.2008 verlangt, ist sie daher nunmehr ausgeschlossen.

8.

Hinsichtlich der vorprozessualen Anwaltskosten ist der vom Landgericht vorgenommene Ansatz einer 2,0 Geschäftsgebühr ausreichend. Die von der Prozessbevollmächtigten der Klägerin entfaltete außergerichtliche Tätigkeit rechtfertigt jedenfalls im Streitfall keine höhere Gebühr.

III.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1, 101 ZPO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf den §§ 708 Nr.10, 713, 543  ZPO.

Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat und auch keine Entscheidung des Revisionsgerichts zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfordert.