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Kanzlei Tykwer & Kirsch
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Oberlandesgericht Hamm, 20 U 106/14 / 30.01.2015

Tenor:

Auf die Berufung der Beklagten wird das am 09.04.2014 verkündete Urteil der 2. Zivilkammer des Landgerichts Dortmund abgeändert.

Die Klage wird abgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

 

Gründe

I.

Mit ihrer Klage begehrt die Klägerin Feststellung, dass die Beklagte zur Gewährung von Deckungsschutz aus einer privaten Haftpflichtversicherung im Zusammenhang mit der Inanspruchnahme der Klägerin durch ihren vormaligen Vermieter F auf Schadenersatz wegen Beschädigung der Mietsache durch Katzenurin verpflichtet sei.

Die Klägerin nahm bei der Beklagten im Jahre 2002 eine private Haftpflichtversicherung unter Geltung der AHB 2002 der Beklagten sowie deren Risikobeschreibungen, Besonderen Bedingungen und Erläuterungen zur Haftpflichtversicherung von privaten Haftpflicht-Risiken (RBE-Privat). Nach Ziff. 5.1 RBE-Privat ist mitversichert die gesetzliche Haftpflicht als Halter von zahmen Haustieren. In Ziff. 3. RBE-Privat heißt es unter der Überschrift „Haus und Wohnung“ u.a.:

„3.5 Mietsachschäden

a) Eingeschlossen ist – abweichend von § 4 Ziff. I 6 a) AHB – die gesetzliche Haftpflicht aus der Beschädigung von Wohnräumen und sonstigen zu privaten Zwecken gemieteten Räumen in Gebäuden und alle sich daraus ergebenden Vermögensschäden.

b) Ausgeschlossen sind

- Haftpflichtansprüche wegen

- Abnutzung, Verschleißes und übermäßiger Beanspruchung,

- Schäden an Heizungs-, Maschinen-, Kessel- und Warmwasserbereitungsanlagen sowie an Elektro- und Gasgeräten,

(…)“

Wegen der weiteren Einzelheiten der vertraglichen Vereinbarungen der Parteien wird auf den Versicherungsschein vom 02.08.2002 sowie das Bedingungswerk der Beklagten (jeweils Anlage K1) verwiesen.

Die Klägerin war in der Zeit vom 08.12.2003 bis zum 31.12.2012 Mieterin einer im Jahre 2003 errichteten und im Eigentum des Herrn F stehenden Doppelhaushälfte, gelegen in D. Seit spätestens 2010 hatte die Klägerin in dem vorgenannten Objekt zuletzt mindestens vier Katzen, darunter zwei Kater, gehalten. Nach Beendigung des Mietverhältnisses nahm der Vermieter F die Klägerin mit der Begründung einer erheblichen Beschädigung der Mietsache durch Urin der von der Klägerin gehaltenen Katzen auf Schadenersatz in Anspruch, wobei er die Klägerin mit anwaltlichem Schreiben vom 18.03.2013 unter Fristsetzung bis zum 03.04.2013 zur Zahlung in Höhe von 17.484,41 € auffordern ließ und alsdann einen Mahnbescheid vom 26.04.2013 des Amtsgerichts Hagen gegen die Klägerin erwirkte, gegen den diese Widerspruch erhob. Ansprüche des Vermieters F gegen die Klägerin sind Gegenstand eines Klageverfahrens vor dem Amtsgericht Castrop-Rauxel (11 C 304/13).

Bereits am 09.02.2013 war es nach Schadenmeldung der Klägerin zu einer Besichtigung des Mietobjekts durch den von der Beklagten beauftragten Sachverständigen L gekommen, über die sich dessen Besichtigungsbericht vom 09.02.2013 verhält. Mit Schreiben vom 06.03.2013 hatte die Beklagte Deckungsschutz mit der Begründung verweigert, Haftpflichtansprüche wegen Abnutzung, Verschleißes und übermäßiger Beanspruchung seien vom Versicherungsschutz bedingungsgemäß ausgeschlossen.

Die Klägerin hat erstinstanzlich die Auffassung vertreten, die Beklagte könne sich auf den Ausschluss in Ziff. 3.5 Buchstabe b) RBE-Privat bereits deshalb nicht berufen, weil nach Ziff. 5.1 RBE-Privat für die gesetzliche Haftpflicht als Halter von zahmen Tieren uneingeschränkt Versicherungsschutz bestünde. Dass der Ausschluss in Ziff. 3.5 Buchstabe b) RBE-Privat auch für die Tierhaltung gelten solle, ergebe sich für einen durchschnittlichen Versicherungsnehmer aus dem Bedingungswerk der Beklagten nicht hinreichend deutlich. Ohnehin, so hat die Klägerin weiter gemeint, greife der Ausschluss auch deshalb nicht, weil die Beschädigung einer Mietsache durch Katzenurin nicht als übermäßige Beanspruchung im Sinne des Ausschlusses anzusehen sei. Denn derartiges Tierverhalten stelle per se keine zulässige Nutzung einer Wohnung mehr dar, sondern könne allenfalls als sog. qualitativ abweichende Nutzung angesehen werden. Eine solche qualitativ abweichende Nutzung unterfalle aber nicht dem Risikoausschluss.

Die Beklagte hat demgegenüber gemeint, die Beschädigungen unterfielen dem Risikoausschluss. Denn von einer übermäßigen Beanspruchung der Mietsache sei auszugehen, wenn sie über das für den einzelnen Raum vereinbarte und übliche Maß quantitativ oder qualitativ erheblich hinausginge und deshalb zu einer erhöhten Abnutzung, einem erhöhten Verschleiß oder einem erhöhten Schadensrisiko führe. Die Beklagte hat sich überdies darauf berufen, dass Versicherungsschutz auch wegen vorsätzlicher Herbeiführung des Schadens durch die Klägerin gem. § 4 II 1 AHB 2002 nicht bestehe.

Wegen der weiteren Einzelheiten des erstinstanzlichen Parteivorbringens und wegen der erstinstanzlich gestellten Anträge wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils vom 09.04.2014 (GA I 66 ff.) verwiesen.

Das Landgericht hat der Klage mit dem angefochtenen Urteil stattgegeben und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt: Die Beklagte sei in Ansehung des durch den früheren Vermieter der Klägerin geltend gemachten Schadensersatzes zur Gewährung von Deckungsschutz aus der bestehenden Haftpflichtversicherung verpflichtet. Hierbei könne sich die Beklagte auf den in Ziff. 3.5 Buchstabe b) RBE-Privat bedungenen Ausschluss nicht berufen. Denn diese Klausel könne aus Sicht eines durchschnittlichen Versicherungsnehmers nur so verstanden werden, dass sie nicht den gesamten Einschluss von Mietsachschäden gem. Ziff. 3.5 Buchstabe a) RBE-Privat umfasse. Nach § 538 BGB seien grundsätzlich Veränderungen oder Verschlechterungen der Mietsache, die durch vertragsgemäßen Gebrauch herbeigeführt würden, vom Mieter nicht zu vertreten. Da sich der Wiedereinschluss nicht nur auf einen reinen Abwehranspruch unberechtigter Ansprüche beschränken könne, greife der Ausschluss nicht, wenn die Beeinträchtigung ihrer Art nach eine falsche Behandlung der Mietsache darstelle. Die Beeinträchtigung müsse also durch einen grundsätzlich vertragsgemäßen, jedoch in der Intensität gesteigerten Gebrauch entstehen. Unter den Rückausschluss falle daher nur die quantitative Überbeanspruchung. Denn anderenfalls würde der Ausschluss den Wiedereinschluss aushöhlen und zumindest weitgehend wertlos machen. Hieran gemessen sei die Art und Weise der Katzenhaltung durch die Klägerin eine grundsätzlich falsche Benutzung der Mietsache, wobei es nicht darauf ankomme, wie viele Tiere die Klägerin gehalten habe und ihr die Katzenhaltung mietvertraglich gestattet gewesen sei. Es sei auch nicht ersichtlich, dass die Klägerin vorsätzlich gehandelt habe. Denn beim Vorsatzausschluss gem. § 4 II 1 AHB müsse sich der Vorsatz nicht nur auf das Schadensereignis, sondern auch auf die Schadensfolgen beziehen.

Hiergegen wendet sich die Beklagte mit ihrer Berufung, mit der sie die Verletzung materiellen Rechts durch das Landgericht rügt und ihr erstinstanzliches Klageabweisungsbegehren weiter verfolgt. Sie macht im Wesentlichen geltend, dass das Landgericht das Vorliegen der Voraussetzungen des Rückausschlusses in Ziff. 3.5 Buchstabe b) RBE-Privat zu Unrecht verneint habe. Die Differenzierung des Landgerichts zwischen einer quantitativen und einer qualitativen Überbeanspruchung der Mietsache überzeuge schon deshalb nicht, weil auch in einer übermäßigen Beanspruchung eine qualitative Nutzungsüberschreitung zu sehen sei, so dass im Streitfall gerade auch ein Fall der quantitativen Überbeanspruchung gegeben sei. Bereits das Halten von Haustieren sei von der Rechtsprechung als übermäßige Beanspruchung einer Mietsache angesehen worden. Zu dieser Rechtsprechung setze sich das angefochtene Urteil in Widerspruch. Der Klägerin sei es auch gar nicht möglich gewesen, vier Katzen über mehrere Etagen verteilt in verschiedenen Räumen zu beaufsichtigen, ohne dass es zu Schadenfällen habe kommen können. Tatsächlich sei es zudem so, so behauptet die Beklagte, dass die Klägerin eine deutlich höhere Anzahl an Katzen in dem Haus gehalten habe, was ihr, der Beklagten, erst durch Übersendung eines Schriftsatzes vom 26.06.2013 mit handschriflichen Anmerkungen der Klägerin durch deren Prozessbevollmächtigte am 25.05.2014 bekannt geworden sei.

Die Beklagte beantragt,

unter Abänderung der angefochtenen Entscheidung die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt – unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vorbringens – die angefochtene Entscheidung.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Parteien in der Berufungsinstanz wird auf die zwischen ihnen gewechselten Schriftsätze verwiesen.

II.

Die Berufung der Beklagten ist zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt und begründet. Sie hat auch in der Sache Erfolg und führt zur Abänderung der angefochtenen Entscheidung und zur Abweisung der Klage.

Die auf Gewährung von Deckungsschutz gerichtete Feststellungsklage der Klägerin  ist zulässig, aber unbegründet.

Das Landgericht hat angenommen, dass der von der Klägerin geltend gemachte Deckungsanspruch bestehe, da durch Ziff. 3.5 Buchstabe a) RBE-Privat die nach den AHB 2002 ausgeschlossenen Mietsachschäden wieder in den Deckungsschutz einbezogen seien und in Ansehung dieser Deckungserweiterung die Voraussetzungen des Rückausschlusses in Ziff. 3.5 Buchstabe b) RBE-Privat nicht vorliegen würden, weil es sich bei der in Rede stehenden „Art und Weise der Katzenhaltung“ um eine grundsätzlich falsche Benutzung der Mietsache und nicht um eine quantitative Überbeanspruchung handele.

Dies hält rechtlicher Überprüfung nicht stand.

Im rechtlichen Ausgangspunkt zutreffend ist allerdings die Annahme des Landgerichts, dass nur ein grundsätzlich vertragsgemäßer, jedoch in der Intensität gesteigerter Gebrauch der Mietsache dem Rückausschluss in Ziff. 3.5 Buchstabe b) RBE-Privat unterfällt, nicht eine schon ihrer Art nach (auch ohne Übermaß) widerrechtliche oder falsche Behandlung der Mietsache (vgl. OLG Saarbrücken, Beschl. v. 09.09.2013, 5 W 72/13, juris, Rn. 15, VersR 2014, 325; LG Dortmund, Beschl. v. 01.03.2010, 2 T 5/10, juris; LG Ravensburg, Urt. v. 24.06.1993, 5 S 85/93, VersR 1994, 340; Lücke, in: Prölss/Martin, VVG, 28. Aufl. 2010, Nr. 5 BesBed PHV Rn. 8; Koch, in: Bruck/Möller, VVG, 9. Aufl. 2013, AHB 2012 Ziff. 7 Rn. 182).

Gemessen hieran liegt aber – entgegen der Auffassung des Landgerichts – in der Art und Weise der Katzenhaltung durch die Klägerin eine „übermäßige“ Nutzung der Mietsache im Sinne des Rückausschlusses.

Eine Beanspruchung der Mietsache ist übermäßig, wenn sie über das für den einzelnen Raum vereinbarte oder übliche Maß (§ 538 BGB) quantitativ oder qualitativ erheblich hinausgeht und deshalb zu erhöhter Abnutzung oder erhöhtem Verschleiß oder einem anderen Schadensrisiko führt (Lücke, a.a.O.) Das war hier der Fall.

Die Klägerin selbst hat insoweit angegeben, ihr Vermieter F sei mit der Haltung von Katzen einverstanden gewesen, wobei sie lediglich allgemein gefragt haben will, ob Katzen gehalten werden dürften. Bestand demnach keine konkrete Vereinbarung über das Maß der Haltung von Katzen, bestimmte sich dieses nach einer einzelfallbezogenen Abwägung unter Berücksichtigung der Interessen des Vermieters und des Mieters, welche insbesondere Art und Größe, Verhalten und Anzahl der Tiere, Art, Größe, Zustand und Lage des Mietobjekts berücksichtigt (vgl. BGH, Urt. v. 14.11.2007, VIII ZR 340/06, NJW 2008, 218; Häublein, in: Münchener Kommentar zum BGB, 6. Aufl. 2012, § 535 Rn. 93; Eisenschmid, in: Schmidt-Futterer/Blank, Mietrecht, 11. Aufl. 2013, § 535 Rn. 551). Eine übermäßige Tierhaltung, die zu starken Belastungen der Mietsache führt, ist hierbei vom vertragsgemäßen Gebrauch nicht gedeckt (Eisenschmid, a.a.O., Rn. 552 mit weiteren Nachweisen).

Mit Blick auf den Wortlaut des Rückausschlusses, der nur auf eine „übermäßige Beanspruchung“ der Mietsache ankommt, kommt es allerdings nicht auf die mietrechtliche Frage an, ob das Maß der Tierhaltung noch dem vertragsgemäßen Gebrauch (§ 538 BGB) unterfällt oder sich als vertragswidriger Gebrauch darstellt (anderer Ansicht offenbar OLG Saarbrücken, a.a.O., Rn. 21).Indessen ist die Haltung einer Mehrzahl von Katzen durch die Klägerin unter den gegebenen Umständen als „übermäßige Beanspruchung“ anzusehen. Dass die Klägerin entgegen ihrer Behauptung gerade nicht in der Lage gewesen ist, die Katzen hinreichend zu beaufsichtigen, belegen die unstreitigen gravierenden Substanzschäden an der Doppelhaushälfte. Hierbei verkennt der Senat nicht, dass eine übermäßige Beanspruchung nicht stets schon aus dem Entstehen gravierender Substanzschäden geschlossen werden kann (OLG Saabrücken, a.a.O., Rn. 15). Bereits die Lichtbilder aus dem Beweissicherungsgutachten des Dipl.-Ing. M widerlegen aber die Behauptung der Klägerin einer ständigen Beaufsichtigung der Tiere bzw. zeugen von einem sorglosen Umgang mit der Mietsache.

„Ihrer Art nach“ war aber –wie sich aus den Vorstehenden ergibt- die Haltung von Katzen vertragsgemäß.

Entgegen der Auffassung der Klägerin ergibt sich ein Anspruch der Klägerin auf Deckungsschutz auch nicht „ohne Weiteres“ aus Ziff. 5.1 RBE-Privat. Nach dieser Klausel ist die gesetzliche Haftpflicht als Halter von zahmen Haustieren mitversichert. Diese umfasst auch nicht lediglich den Tatbestand des § 833 BGB erfüllende Schadensfälle, sondern alle Schäden, die – wie hier – vom Versicherten gerade in seiner Eigenschaft als Tierhalter verursacht werden (vgl. OLG Saarbrücken, a.a.O., Rn. 12). Geht es aber um Schäden an Mietsachen, so richtet sich der Umfang des Versicherungsschutzes nach der – gleichrangigen – Regelung in Ziff. 3 RBE-Privat, welche Mietsachschäden im Wege des Wiedereinschlusses in den Versicherungsschutz einbezieht, aber einen Rückausschluss für Haftpflichtansprüche wegen u.a. „übermäßiger Beanspruchung“ vorsieht. So muss auch ein durchschnittlicher Versicherungsnehmer ohne versicherungsrechtliche Spezialkenntnisse das Gefüge der Klauseln bei verständiger Würdigung, aufmerksamer Durchsicht und Berücksichtigung des erkennbaren Sinnzusammenhangs verstehen.

Ebenso wird er ohne Schwierigkeiten das Gefüge von Ziff. 3.5 Buchstabe a) und b) verstehen.

Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 91 Abs. 1, 708 Nr. 10, 713 ZPO.

Eine Zulassung der Revision ist in Ermangelung der Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 Satz 1 ZPO nicht veranlasst. Die Rechtssache weist weder grundsätzliche Bedeutung auf noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs.