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Kanzlei Tykwer & Kirsch
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Landgericht Detmold, 10-S 172/11 / 07.03.2012

Tenor:

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Amtsgerichts Detmold vom 05.10.2011 wird auf seine Kosten nach einem Gegenstandswert von 1.367,25 € zurückgewiesen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Entscheidungsgründe:

A.

Die Parteien streiten darüber, ob Kratzer auf dem Fahrzeug des Klägers bei der Benutzung der Waschanlage des Beklagten entstanden sind. Der Kläger ließ im August 2010 seinen Volkswagen Typ Caddy in der Waschanlage des Beklagten reinigen. Nach der Reinigung seines Fahrzeugs bemerkte er Kratzspuren auf dem Lack der Motorhaube und dem Dach sowie Kratzspuren auf der Windschutzscheibe. Diese war eine Woche zuvor erneuert worden. Der Kläger reklamierte die Schäden unmittelbar nach der Ausfahrt aus der Waschanlage. Die Schadensbeseitigung kostet 1.367,25 €, die der Kläger mit der Behauptung, die Schäden seien in der Waschanlage verursacht worden, von dem Beklagten eingeklagt hat. Dieser hat die Schadensverursachung durch seine Waschanlage bestritten.

Das Amtsgericht hat die Klage nach Vernehmung von Zeugen und Einholung eines Sachverständigengutachtens abgewiesen.

Hiergegen richtet sich die Berufung des Klägers, mit der er seinen Schadensersatzanspruch weiter verfolgt: Das Amtsgericht habe die durch den BGH aufgestellten Grundsätze für die Beweislastverteilung bei Beschädigungen in Waschanlagen nicht hinreichend berücksichtigt. Der Kläger habe den Nachweis erbracht, dass der Schaden an seinem Fahrzeug während des Betriebs der Waschanlage entstanden sei. Das Gericht hätte aufgrund der uneidlichen Vernehmung der Zeugen N, Schlosser und Waschmann zu dem Ergebnis kommen müssen, dass die Schadensverursachung während des Waschvorgangs mit der hinreichenden Sicherheit nachgewiesen worden sei. Die durch das Amtsgericht vorgenommene Beweiswürdigung überspanne die Lebenswirklichkeit. Alle drei Zeugenaussagen, insbesondere die der Mitarbeiter des Beklagten, die nicht im Lager des Klägers stünden, hätten bestätigt, dass die in Rede stehenden Kratzer vor Einfahrt in die Waschanlage nicht vorhanden gewesen seien. Die Beweiswürdigung der Zeugenaussagen sei nicht nachvollziehbar und gehe an dem, was die Zeugen bekundet hätten, vorbei. Auch sei die Vorgehensweise des Gerichts im Hinblick auf das eingeholte Sachverständigengutachten nicht nachvollziehbar. So habe der Sachverständige die Frage, ob eine sogenannte Softtec-Waschanlage überhaupt geeignet sei, entsprechende Fahrzeugschäden hervorzurufen, nicht beantwortet. Der Sachverständige sei im Übrigen mit der Gutachtenerstellung überfordert gewesen. Schließlich habe sich das Amtsgericht auch nicht mit dem Schriftsatz vom 29.08.2011 und den entsprechenden Anträgen auseinandergesetzt.

B.

Die Berufung des Klägers hat keinen Erfolg. Das Amtsgericht hat seine Klage beanstandungsfrei zurückgewiesen.

Der Kläger hat gegen den Beklagten keinen Anspruch auf Schadensersatz aus §§ 280, 631 BGB oder aus Deliktsrecht.

Das Amtsgericht verkennt die Grundsätze der Beweislastverteilung in den sog. Waschanlagenfällen nicht. Grundsätzlich trägt der Gläubiger die Beweislast dafür, dass der Schuldner eine Pflichtverletzung begangen hat. Abweichend von dieser Beweislastverteilung kann ausnahmsweise unmittelbar von dem Eintritt eines Schadensfalls auf eine Pflichtverletzung des Handelnden geschlossen werden, wenn der Gläubiger darlegt und beweist, dass die Schadensursache allein aus dem Verantwortungsbereich des Schuldners herrühren kann. Bleibt es jedoch ungeklärt, ob die Schadensursache der Risikosphäre des Schuldners, z. B. bei einer technischen Fehlfunktion der Waschanlage, oder des Gläubigers zuzurechnen ist, kann sich der Gläubiger nicht auf diese Beweiserleichterung berufen (so zuletzt LG Paderborn, Urteil vom 17.09.2009, 5 S 3/09).

Das Amtsgericht hat unter Würdigung aller herangezogenen Beweise gerade nicht die Überzeugung gewinnen können, dass die Schäden an dem Fahrzeug des Klägers durch die Benutzung der Waschanlage des Beklagten entstanden sind. Hierzu hat das Amtsgericht Zeugen vernommen, ein mündliches Sachverständigengutachten eingeholt und das entsprechende Fahrzeug in Augenschein genommen. Das Amtsgericht hat es auf der Grundlage der von ihm durchgeführten Beweisaufnahme nicht als bewiesen angesehen, dass das Fahrzeug in der Waschanlage des Beklagten beschädigt wurde. Hieran ist die Kammer gebunden. Gem. § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO hat das Berufungsgericht in seiner Entscheidung die vom Gericht des ersten Rechtszuges festgestellten Tatsachen zugrunde zu legen, soweit nicht konkrete Anhaltspunkte Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der entscheidungserheblichen Tatsachen begründen und deshalb eine erneute Feststellung gebieten. Es sind lediglich Entscheidungen nicht bindend, wenn konkrete Anhaltspunkte dafür bestehen, dass die Feststellungen unvollständig oder unrichtig sind. Konkreter Anhaltspunkt in diesem Sinn ist jeder objektivierbare rechtliche oder tatsächliche Einwand gegen die erstinstanzliche Feststellung. Bloß subjektive Zweifel, lediglich abstrakte Erwägungen oder Vermutungen der Unrichtigkeit ohne greifbare Anhaltspunkte wollte der Gesetzgeber ausschließen. Konkrete Anhaltspunkte können sich aus gerichtsbekannten Tatsachen, aus dem Vortrag der Parteien oder aus dem angefochtenen Urteil selbst ergeben, aber auch aus Fehlern, die dem erstinstanzlichen Gericht bei der Feststellung des Sachverhalts unterlaufen sind (vgl. OLG Düsseldorf, Urteil vom 28.07.2011, I-5 U 114/10).

Unter Anlegung dieses Maßstabs ist die Kammer an die Beweiswürdigung des Amtsgerichts gebunden. Die Amtsrichterin hat in ihrem Urteil sehr ausführlich und logisch nachvollziehbar dargelegt, warum sie den Aussagen der Zeugen nicht gefolgt ist. Dabei ist nicht zu beanstanden, wenn sie an die Beweiswürdigung einen besonders kritischen und sehr detaillierten Maßstab angelegt hat. Dieser Maßstab ist nicht überzogen. Er setzt sich vielmehr sehr ausführlich mit der Wahrnehmungsfähigkeit der geltend gemachten Schäden vor Einfahrt in die Waschanlage auseinander. Wenn die Richterin das Fahrzeug hier selbst in Augenschein genommen hat, ist es ihr auch erlaubt, den von ihr gewonnenen Augenschein in die Beweiswürdigung einfließen zu lassen, derart, dass sie nicht Überzeugung davon gewinnen konnte, dass das Schadensbild so auffällig war, dass die Zeugen es wahrnehmen mussten, wenn es bereits vor Einfahrt in die Waschanlage vorhanden war, sie also im Rückschluss nicht mit der erforderlichen Sicherheit feststellen konnte, dass die Schäden vor der Benutzung der Anlage noch nicht vorhanden waren. Die Richterin hat vielmehr die Möglichkeit, dass die Zeugen ein bereits vorhandenes Schadensbild aufgrund der wenig dominanten Ausprägung der Schäden schlicht übersehen haben, so stark gewichtet, dass sie vom Gegenteil nicht Überzeugung gewinnen konnte. Dies ist aufgrund der selbst gewonnenen Erkenntnisse der Schäden nicht zu beanstanden, obwohl die Richterin die Zeugenvernehmung nicht selbst durchgeführt hat, sondern diese durch ihre Vorgängerin im Dezernat durchgeführt worden ist.

Es ist auch nicht zu beanstanden, dass der Sachverständige die Beweisfrage nach der generellen Beschädigungsmöglichkeit durch die sog. Softtec-Waschanlage nicht beantworten konnte. Die Richterin hat nämlich diese Beweisfrage zugunsten des Klägers als wahr unterstellt. Wenn aber eine Tatsache als wahr unterstellt wird, entfällt deren Beweisbedürftigkeit. Grundsätzlich verstößt zwar die Nichtberücksichtigung eines als erheblich angesehenen Beweisangebotes gegen Art. 103 Abs. 1 GG, wenn sie im Prozessrecht keine Stütze mehr findet (Bundesverfassungsgericht NJW 2005, 1487 m.w.N.). Von der Erhebung eines Beweises darf aber abgesehen werden, wenn die unter Beweis gestellte Tatsache unerheblich ist. Dies setzt voraus, dass sie zugunsten des Beweisbelasteten als wahr unterstellt wird (Bundesverfassungsgericht NJW 1993, 254, 255; BGH VersR 2008, 382). Darüber hinaus ist es auch nicht zutreffend, dass sich das Amtsgericht nicht mit dem nicht nachgelassenen Schriftsatz des Klägers vom 29.08.2011 auseinandergesetzt hat. Das Gegenteil ist der Fall. Das Schreiben deckt keine Lücken in den Ausführungen des Sachverständigen auf, die eine Fortsetzung der Beweisaufnahme geboten hätten. Soweit der Sachverständige wahrheitsgemäß einige an ihn gerichtete Fragen nicht beantwortet hat, bzw. nicht beantworten konnte, lagen diese erkennbar außerhalb seines Fachgebiets, waren aber für die Beweiswürdigung auch nicht erforderlich. Soweit er die Fragen beantwortet hat, hat das Amtsgericht seine Feststellungen in überzeugender Weise gewürdigt.

Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 97 und 708 Nr. 10 ZPO.

Der ursprünglich am 07.03.2012 verkündete Tenor war wegen der offensichtlich versehentlich falschen Bezeichnung des amtsgerichtlichen Urteils gem. § 319 ZPO zu berichtigen.